Über Gymnastizierung zu klaren Verhältnissen

Zu diesem Thema lasse ich hier eine Bodenarbeits-Schülerin von mir zu Wort kommen:

Bis November 2019 lag mein Fokus überwiegend auf dem Dressurreiten. Ich bin gerne mit meinem Wallach auf Turniere gefahren und habe ab und zu auch mal vom Boden aus gearbeitet. In der Vergangenheit habe ich auch den einen oder anderen Lehrgang zum Thema Bodenarbeit besucht und hier und da ein Buch zum Thema gelesen.

Ich habe mein Pferd nun seit mittlerweile acht Jahren. Hängerfahren war immer super entspannt – Strick über den Hals, aufgeladen, Klappe zu.  Auf einem Turnier im April 2018 stand er während einem heftigen Gewitter mit Hagel im Hänger. Ab diesem Zeitpunkt ließ er sich eigentlich nicht mehr verladen und ich dachte, dass er wegen dem Gewitter eine fürchterliche Angst haben musste. Ich habe alles ausprobiert. Jeden Abend auf dem Hänger füttern, liebevoll mit Ruhe und Verständnis davor stehen und warten bis er einsteigt, anmotzen und konsequent immer wieder auffordern. Im Ergebnis ohne Ergebnis. Im besten Fall hat er mich ignoriert. Im schlimmsten Fall stand er steigend vor mir und ungefährlich war anders.

Da das ganze wenig erfolgversprechend und ich mit meinem Latein am Ende war, habe ich das Verladethema erstmal beiseite gepackt und meine Turniersaison abgebrochen.  War zwar an sich nicht schlimm, aber trotzdem tummelte sich das Thema immer wieder in meinen Gedanken. Schließlich ging es nicht nur ums Turnierreiten, sondern viel schlimmer wäre der Notfall, wegen dem er in die Tierklinik gebracht werden müsste.  Ich habe erstmal gehofft, dass der so schnell nicht eintreten würde.

Im Sommer 2019 habe ich Marta kennengelernt. Ich habe dann mehr oder weniger zufällig über ihre Homepage erfahren, dass Sie Unterricht insbesondere auch im Bereich Bodenarbeit gibt. Da mich das Thema ohnehin schon immer interessiert hat, dachte ich mir „ warum den Fokus nicht etwas verschieben, gerade wo das Turnierreiten sowieso erstmal gestrichen ist“ und ich gebe zu, irgendwo keimte da auch wieder die Hoffnung auf, über die „Arbeit von unten“ das Verladeproblem vielleicht in den Griff zu bekommen. Im November 2019 habe ich dann angefangen bei Marta Unterricht  zu nehmen.

Ich bin mit Pferden aufgewachsen und hätte auch behauptet, dass ich mein Pferd – abgesehen vom Verladen und vielleicht der einen oder anderen kleineren Unart – ganz gut im Griff habe. Ich habe allerdings sehr schnell merken müssen, dass die Beziehung  zwischen mir und meinem Wallach aus gut ausgetüftelten Kompromissen bestand und eben gerade nicht ganz klar war, wer wem sagt was zu tun ist. Obwohl oder vielleicht sogar weil wir uns beide so gut kennen.

Ein bisschen wurde meine Pferdewelt auf den Kopf gestellt. Aus Kleinigkeiten wie beispielsweise die Schulter weichen lassen entstand im Unterricht zwischen meinem Wallach und mir eine Riesendiskussion über grundlegende Prinzipien unserer Beziehung und ich musste selbst lernen, wie inkonsequent ich in meinen eigenen Verhaltensmustern war, was verständlicherweise zu Unklarheit bei meinem Pferd geführt hat. Zeitweise waren diese Diskussionen wirklich gefährlich. Ich ahnte zwar, dass es diese unschöne Seite an ihm gibt, habe die Konfrontation durch die geschlossenen Kompromisse aber in der Vergangenheit überwiegend vermieden. Der kilomäßige Unterschied zwischen Mensch und Pferd wird einem  in solchen Situationen einmal mehr bewusst. Es war auch ganz klar, dass bei solchem Verhalten und seiner Größe von 1,77m eine gezielte Strategie erarbeitet werden muss, die weder Mensch noch Pferd gefährdet. Und man kann sagen – dieser Grat war sehr schmal. An dieser Stelle sollte auch die psychische und emotionale Komponente erwähnt werden. Solche Situationen bedürfen hundertprozentiger Aufmerksamkeit und Kontrolle über die eigenen Emotionen. Sie sind nicht alltäglich und deshalb umso fremder. Und das ist an sich auch gut so. Ich habe gemerkt, wie wichtig ein Trainer ist, der das Geschehen in seiner Gesamtheit wahrnimmt und schon bei Nuancen eingreift und unterstützt, weil man selbst -besonders mit dem eigenen Pferd – zu sehr in der gemeinsam erlernten Routine festhängt und einfach nicht ausreichenden Überblick hat.

So ist es dazu gekommen, dass unsere Unterrichtseinheiten ganz schnell ganz unterschiedliche Komponenten hatten und ich mindestens so viel an mir arbeiten musste wie an meinem Pferd. Eine gute Mischung aus akademischer Arbeit mit Kappzaum und Seitengängen, Arbeit an der Longe und theoretisches Wissen über Körpersprache und Verhalten von Pferden.

Zugegebenermaßen war und ist mein Wallach für mich ein Kuscheltier und ich hatte etwas die Befürchtung, dass unsere Beziehung vielleicht  darunter leiden könnte, weil er eine klare Rollenverteilung nicht so sehr schätzen könnte wie ich. Aber auch hier bin ich eines besseren belehrt worden.

Die kleinen Unarten wie zum Beispiel immer an meiner Jacke rumzuknabbern sobald ich in der Nähe war, wurden weniger oder verschwanden. Und für mich eigentlich das Schönste war die Kommunikation zwischen uns beiden. Mein Pferd wurde gesprächig. Ich wurde mit einem lauten Grummeln begrüßt, schon wenn er meine Stimme vor dem Stall gehört hat. Hier und da wurde auch bei Ansprachen zwischendurch gegrummelt und letztlich sogar nach der Bodenarbeit, wenn ich ihm den Kappzaum abgenommen habe damit er sich wälzen konnte. Beim Reiten hatte ich ein geschmeidigeres Pferd unter mir. Das intensive Gymnastizieren und Arbeiten an den Seitengängen von unten hatte sich definitiv bezahlt gemacht. Ich konnte sie jetzt auch von oben noch präziser abrufen und unsere Traversalen hatten an Qualität gewonnen.

Die Grundsatzdiskussionen wurden weniger und die Arbeit an sich harmonischer. Marta war sich sicher, wenn wir die Probleme im Rahmen der Bodenarbeit behoben haben, würde auch das Verladen wieder funktionieren.  Wir haben dann damit begonnen in unseren wöchentlichen Trainingseinheiten das Verladen mit bestimmten Übungen vorzubereiten. Insgesamt wurde mir durch unsere gemeinsame Arbeit  das Grundproblem einfach immer klarer.

Zu guter Letzt war es dann soweit. Verladetraining. War ja klar – auch hier wieder eine Grundsatzdiskussion. Das Prinzip: Vor dem Hänger wird gearbeitet, im Hänger ist Pause. Soweit so gut- Pferd und ich hatten das beide auch relativ schnell verstanden. Das führte dazu, dass mein vermeintlich ängstliches Pferd aus dem Hänger gar nicht mehr raus wollte. Wenn er dann aber wieder runter musste, hat er sich sofort losgerissen und ist abgehauen. Er wusste ja – vor dem Hänger bedeutet Arbeit.  Auch für dieses Problem hatte Marta eine Lösung. Nach fast zwei Stunden konnten wir in Ruhe aufladen, abladen, loben und beenden.

Natürlich mussten wir das wiederholen. Ich hatte extra meine Mutter mitgebracht, die beim Pferd Fangen helfen sollte. Ich war total aufgeregt und es passierte etwas für mich fast unfassbares.  Schon bei unseren Aufwärmübungen hatte ich ein ganz anderes Pferd vor mir. Gelassen und freundlich mitarbeitend. Die Hängerklappe ging auf, er spitzte die Ohren und hatte sofort einen Vorwärtsimpuls Richtung Hänger. Wir konnten dann einfach so aufladen, wieder abladen, aufladen, wieder abladen. Pferd entspannt, Besitzer entspannt. Wir haben dann innerhalb von 45 Minuten mehrfach verladen, konnten eine Runde spazieren fahren und nach dem Abladen wieder sofort aufladen. Vollkommen ohne Probleme und im Ergebnis ein Ergebnis, an dass ich so zwischendurch in den letzten eineinhalb Jahren fast nicht mehr geglaubt habe.

Meine Geschichte ist schon sehr ausführlich und es fehlt trotzdem noch so viel Wichtiges. Eine kürzere Abhandlung wäre der Sache aber einfach nicht gerecht geworden. In den letzten Monaten stecken viel Geduld, Fleiß und Disziplin. Nicht nur von meinem Pferd und mir sondern auch von Marta, die mich immer wieder auf dieselben entscheidenden Kleinigkeiten hinweisen musste, die für das Ergebnis so wertvoll waren und die mir in der ein oder anderen Situation wirklich intensiv  unter die Arme greifen musste. Wir haben gemeinsam eine Strategie erarbeitet, wie ich das Gelernte in mein normales Training einbauen kann und auf Grund derer ich zukünftig keine Angst mehr vor dem Verladen haben muss. Ich habe viel gelernt und werde das Wissen unbedingt weiterhin in meinen täglichen Umgang mit Pferden einbauen. Durch die Zusammenarbeit wurde mir noch klarer: was möchte ich und wie komme ich gemeinsam mit meinem Pferd dahin.

Anna und Seppel

Das Pferd hat gelernt auf eine Hilfe am Kappzaum Kopf und Hals zu senken.

Konzentriertes Antreten in der Dehnungshaltung.

Das Pferd lernt die Einwirkung des biegenden inneren Schenkels hier mit Hilfe der Gerte als Verlängerung des Arms der Ausbilderin und das Führen und Plazieren der Schulter.

Eine der ersten Traversalen in der Bodenarbeit. Unter dem Sattel hat Seppel diese schon gelernt.

Herausschicken an der Longe auf die Zirkellinie in Stellung und Biegung.

Trab an der Longe in der Dehnungshaltung in Stellung und Biegung.

Durch die Bodenarbeit wurden die Beziehung, Konzentration und Motivation verbessert.

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